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7. Sonntag der Osterzeit 1999

Thema: Überwindung der Angst
Lesg./Ev.: Joh 17,1-11a
gehalten am 16.05.99 10:30h in Eschenbach
von Eberhard Gottsmann, OStR

Evangelium

Joh 17:1 Dies sagte Jesus. Und er erhob seine Augen zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist da. Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht. 2 Denn du hast ihm Macht über alle Menschen gegeben, damit er allen, die du ihm gegeben hast, ewiges Leben schenkt. 3 Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast. 4 Ich habe dich auf der Erde verherrlicht und das Werk zu Ende geführt, das du mir aufgetragen hast. 5 Vater, verherrliche du mich jetzt bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt war. 6 Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie gehörten dir, und du hast sie mir gegeben, und sie haben an deinem Wort festgehalten. 7 Sie haben jetzt erkannt, daß alles, was du mir gegeben hast, von dir ist. 8 Denn die Worte, die du mir gegeben hast, gab ich ihnen, und sie haben sie angenommen. Sie haben wirklich erkannt, daß ich von dir ausgegangen bin, und sie sind zu dem Glauben gekommen, daß du mich gesandt hast. 9 Für sie bitte ich; nicht für die Welt bitte ich, sondern für alle, die du mir gegeben hast; denn sie gehören dir. 10 Alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein; in ihnen bin ich verherrlicht. 11 Ich bin nicht mehr in der Welt, aber sie sind in der Welt, und ich gehe zu dir.

Predigt

Liebe Christen!

Millionen kennen den Namen Walt Disney, den Schöpfer der weltberühmten Micky Maus. Damit man diesen Namen nie mehr vergessen kann, hat er sich selbst ein Denkmal gesetzt: Disneyland in der Nähe von Los Angeles und neuerdings auch in der Nähe von Paris. Disneyland ist die gigantischste Spielzeugschachtel der Welt und sicher auch die teuerste: 11 Mio Dollars kostete diese Welt der Illusionen. Nichts ist echt: nicht die fliegenden Untertassen, nicht die Bayernkapelle mit den spinatgrünen Gamsbarthüten, nicht der Dschungel, nicht die trompetenden Elefanten und die brüllenden Tiger. Die bekanntesten Filmstars sind Puppen mit gefrorenem Lächeln, und auf Bänken sitzen Damen aus Wachs, mit denen man sich als Beweis eines Flirts fotografieren lassen kann.

Es gibt sicherlich viele Gründe, warum Disneyland so beliebt ist, aber einer der wichtigsten ist sicher der: die Besucher kaufen sich Angst, die sie in Griff bekommen können. Alle Schrecken Horrorszenen lösen sich ja schließlich in Heiterkeit auf! So nehmen sie von hier die Einbildung mit, daß im wirklichen Leben alles ebenso regulierbar und ungefährlich sei: es können einem draußen eigentlich nichts passieren. Warum brauchen die Leute so ein Ventil?

Die Angst ist das bestimmende Gefühl unserer Zeit. Natürlich hat es immer schon Ängste gegeben, aber der Unterschied ist der: in früheren Zeiten war die Überzeugung eines ewigen Lebens noch so stark verankert, daß sie einen inneren Halt, eine Stütze bieten konnte. Je mehr aber der Glaube an ein Fortleben und an einen Lebenssinn geschwunden ist, desto mehr macht sich die Angst breit. Gesundheitsangst, Furcht vor Ausweitung lokaler Kriege zu einem Weltkrieg, vor einer Klima- und Umweltkatastrophe, vor dem Alleinsein, vor Alter und Tod. Und selbst wenn man kein bestimmtes Objekt seiner Furcht angeben kann - es bleibt ein unbestimmtes Angstgefühl, das man Existenzangst nennen kann. Das haltlose Genießen der schönen Dinge des Lebens und der Liebe, die Raserei auf den Straßen und der eifrige Besuch von Wahrsagern ist ein Ausdruck dieser Angst.

Christus hat sich nie ausdrücklich zur Angst geäußert, aber seine ganze Predigt dient im Grunde der Überwindung der Angst. Ich habe vorhin gesagt: die Ursache der modernen Lebensangst ist der Schwund des Glaubens an ein ewiges Leben. Christus setzt an die Stelle dessen, was uns ratlos und beklommen macht, an die Stelle der Angst die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod. Leben ist nicht Vergehen, Zerrinnen, Aufhören, Fallen ins Dunkel und Nichts, sondern die Vorstufe zum eigentlichen, erfüllten und vollkommenen Leben. Dieses Leben ist nicht zu trennen von Gott selbst, der in der Bibel mit Leben gleichgesetzt wird. Jesus sagt ganz deutlich: „Das ist das ewige Leben: dich zu erkennen, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Christus, Jesus."

Der Herr steht unmittelbar vor dem Ende seiner Erdentage. Er sieht im Geist alle Stationen seines Leidensweges voraus.

Die Stunde, auf die er hingelebt hat, steht unmittelbar bevor: diesen Weg muß er allein gehen, in einer Einsamkeit, in der ihn niemand begleiten kann. Auch er wird blutigen Angstschweiß auf seiner Stirn haben, aber diese Angst ist anderer Art als die unsere: keine Angst vor dem Nichts, vor der Sinnlosigkeit. Es ist vielmehr die Furcht vor dem, was ihm die Mitmenschen antun werden. Er wird alles mit einer Deutlichkeit vorausgesehen haben, die uns - Gottlob! - unbekannt ist.

Aber er überwindet im Gebet diese Angst und zeigt uns zugleich, wie wir sie überwinden können: "Das ist das ewige Leben: dich zu erkennen, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Christus, Jesus." Jesus meint hier nicht nur verstandesmäßiges Erkennen. Das nützt in einer Situation der quälenden Gefühle überhaupt nichts. Das Erkennen, das Jesus hier meint, braucht kein Studium und kein Forschen, nicht einmal besondere Geistesgaben. Ein einfaches, unstudiertes Weiblein kann dieser Erkenntnis näher sein als mancher Theologe mit Professorentitel und doppeltem Doktor. Die Erkenntnis, von der Jesus spricht, ist die Erkenntnis des Herzens, die intima cognitio, die Ignatius von Loyola meint, das ungebrochene und unzerstörbare Vertrauen in den gütigen Vatergott, der die Seinen niemals fallen läßt.

Angst bleibt keinem von uns erspart. Angst muß durchgestanden werden, ein Fegefeuer, das durchschritten werden muß. Aber wer außer Christus kann uns bei diesem einsamen Weg behilflich sein? „Herr, wohin sollten wir gehen? Du allein hast Worte des ewigen Lebens."

AMEN

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