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6. Sonntag der Osterzeit 1999

Thema: Geist Gottes - auch heute
Lesg./Ev.: Joh 14,15-21
gehalten am 08.05.99 19:00h und 09.05.99 9:00h in Eschenbach
von Eberhard Gottsmann, OStR

Lesung / Evangelium:

Joh 14,15 Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten. 16 Und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. 17 Es ist der Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt. Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird. 18 Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, sondern ich komme wieder zu euch. 19 Nur noch kurze Zeit, und die Welt sieht mich nicht mehr; ihr aber seht mich, weil ich lebe und weil auch ihr leben werdet. 20 An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin in euch. 21 Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.

Predigt

Liebe Christen!

In unserem Sprachgebrauch taucht das Wort „Geist" gar nicht so selten auf: ein Lehrer klagt über den schlechten Klassengeist; ein Fußballer, der mit angeschlagenem Schienbein über das Spielfeld humpelt, wirft seinem Gegner mangelnden Sportsgeist vor; und jeder ist besonders stolz, wenn man ihn „geistreich" nennt. Man kann auch vom Geist einer ganzen Nation sprechen (oder in Bezug auf unser Vaterland eher von UNgeist), oder sogar vom Zeitgeist, der weltweit spürbar ist.

Wenn man aber - wie beim heutigen Evangelium - auf den Heiligen Geist zu sprechen kommt, dann kann man sich nichts Konkretes mehr vorstellen. Was soll dieser Geist Gottes denn sein?

Nun ist aber „Geist" definitionsgemäß etwas Unsichtbares. Wenn es ihn aber wirklich gibt, dann müßte man seine Existenz einzig und allein an seinen Auswirkungen feststellen können - genauso, wie man den elektrischen Strom selbst nicht wahrnehmen kann, wohl aber das Leuchten einer Glühbirne oder die Hitze einer Kochplatte, eben die Wirkung des Stroms.

Boshafte Menschen meinen, daß man an unserem Christentum eher spüren kann, daß es den Geist Gottes nicht gibt - da keine Wirkungen zu spüren sind. Soweit kann es, sagen sie, mit dem Heiligen Geist nicht her sein, wenn es gerade in christlichen Ländern immer noch Haß, Ausgrenzung und Krieg gibt; wenn gerade die Kirchgänger besonders ekelhaft und die Kirchenfürsten besonders machthungrig sein können; und wenn es mitten unter Christen immer noch Hunger, Not und Elend gibt.

Auch von boshaften Menschen kann man etwas lernen; vielleicht sind nämlich diese Vorwürfe gar nicht so falsch? Vielleicht ist der Heilige Geist tatsächlich nur ein Wunschbild, eine Ideologie, die mit der Wirklichkeit gar nichts zu tun hat?

Sie kennen sicher die Karikatur vom Jäger, der mit seinem Feldstecher überall nach Hasen Ausschau hält. Aber solange er auch sucht - er findet keinen. Der Grund: die Hasen haben sich ganz dicht um den Jäger versammelt; und weil er immer nur in die Ferne blickt, wird er auch nie einen zu Gesicht bekommen.

Vielleicht trifft diese Karikatur auch auf uns zu. Mit dem Fernrohr suchen wir überall nach der Wirkung des Heiligen Geistes, aber keiner kommt auf die Idee, daß er ganz in der Nähe, dicht neben uns, am Werk ist.

Kennen Sie beispielsweise einen Menschen in Ihrer Nähe, der immer wieder für die Nöte der anderen Zeit hat, auch wenn er selbst schon genug zu tun hätte? Oder jemanden, der den verkalkten und bettlägerigen Opa bis zur Erschöpfung pflegt, ungeachtet seiner egoistischen Launen? Oder auch einen Handwerker, der nicht nur zuverlässig kommt, wenn er es versprochen hat, sondern der auch nicht ruht, bis die Sache hundertprozentig funktioniert? Oder gehören sie selbst zu den Menschen, die immer wieder für andere einspringen, obwohl es ihnen gar nichts „bringt"?

Das sind so alltägliche Erfahrungen, daß wir gar nicht mehr merken, daß der Geist Gottes darin sichtbar wird. Es ist geradezu ein Kennzeichen des Gottesgeistes, daß er still, fast unmerklich wirkt. Bei einem groß aufgemachten Zeitungsartikel über irgend eine „große Tat" dagegen wäre ich mir gar nicht so sicher, ob da der Heilige Geist etwas damit zu tun hat.

Der Geist Gottes ist aber nicht nur spürbar in dem, was wir beobachten und besichtigen können. Er läßt sich auch in Anschauungen, Haltungen und Einstellungen finden. Wenn sich einer nicht mutlos machen läßt, obwohl er immer und immer wieder den gleichen Fehler macht; wenn einer nicht pessimistisch wird trotz aller negativen Lebenserfahrungen, dann wirkt der Geist Gottes in ihm. Und wenn jemand nach einem Streit den ersten Schritt zur Wiederversöhnung macht oder wenn er ein gravierendes Unrecht, daß man ihm angetan hat, vergeben kann, dann kann man wirklich von einer „Geistwirkung" sprechen. Dann ist sogar wahrscheinlich, daß die Umgebung irgendwie von dieser Haltung angesteckt wird, auch wenn der Betreffende es gar nicht merkt.

Überall, wo Liebe spürbar ist, ist der Geist Gottes am Werk - ja, er ist gar nichts anderes als Liebe. Wenn man das vor Augen hat, dann lernt man ihn auch schnell zu unterscheiden, dann merkt man rasch, „wes Geistes Kind" jemand ist.

Auf eine Konsequenz muß ich allerdings aufmerksam machen, an die kaum mal jemand denkt: Wenn jede Liebe eigentlich der Geist Gottes ist, dann heißt das logischerweise: ich kann nicht von mir aus lieben. Ich als Mensch bin unfähig, selber Liebe zu „erzeugen". Und wenn ich einmal etwas tue, hinter dem als Motor nicht Geltungssucht und andere egoistische Motive stehen, sondern die Liebe, dann ist es nicht mein eigenes Verdienst. Das ist auch der Grund, warum Jesus den Geist Gottes mit dem Wind vergleicht: beide kann man nicht erzeugen, nicht beeinflussen, nicht festhalten, nicht „pachten", auch wenn das manchmal von höchsten Stellen behauptet wird. Alles, was man tun kann, ist: sich dem Geist Gottes zu öffnen, sich offen und bereit zu halten, damit Gott in uns wirken kann.

Ein Vergleich mit den riesigen Windrädern, die man jetzt immer mehr in unserer Landschaft finden kann, drängt sich auf: mit weit ausgebreiteten Armen - empfangsbereit - stehen sie da, und schon durch den leisesten Windhauch kommen sie in Bewegung und setzen diese in Energie um, die uns allen Nutzen bringt.

Wind wie Geist Gottes steht unbegrenzt zur Verfügung - lediglich Sensibilität und Offenheit für deren Wirken sind erforderlich.

Kein Grund zum Stolz - denn was dann durch mich, das Werkzeug, geschieht, ist ein Geschenk - und deshalb eher ein Grund zur Dankbarkeit!

AMEN

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