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4. Sonntag im Jahreskreis

Thema: Selig die Armen, Trauernden?

Lesg./Ev.: Mt 5,1-12a

gehalten am 31.01.1999 9:00h in ESB von Eberhard Gottsmann, OStR

Evangelium

Mt 5,1 Als Jesus die vielen Menschen sah, stieg er auf einen Berg. Er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. 2 Dann begann er zu reden und lehrte sie. 3 Er sagte: Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich. 4 Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden. 5 Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben. 6 Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden. 7 Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden. 8 Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen. 9 Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden. 10 Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich. 11 Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. 12 Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein.

Predigt

Liebe Christen!

Wenn wir die Bergpredigt, deren Anfang gerade vorgelesen wurde, nicht so gut kennen würden, dann würden uns einige Aussagen darin wie die Aussprüche eines Verrückten vorkommen.

Aber wie immer - was man gewöhnt ist, überhört man einfach; und weil es Jesus gesagt hat, wird es schon stimmen, auch wenn man bei einigem Nachdenken nur den Kopf schütteln kann.

Was also wird hier ausgesagt?

Es wird schlicht und einfach behauptet, daß es den ärmsten Teufeln gut geht. Also:

Manche wenden ein, daß das „Gutgehen" sich erst auf das Jenseits beziehe. Sie sagen: „Wenn es dir jetzt dreckig geht, dann wirst du es im Himmel um so schöner haben". So hat ja die Kirche im vergangen Jahrhundert die sozial ausgebeuteten Arbeiter getröstet - was Karl Marx scharf kritisierte (er meinte nämlich, daß die Religion wie ein Betäubungsmittel, wie Opium verwendet werde). Aber ungeachtet dessen, daß mit diesem billigen Trost sehr viele Arbeiter der Kirche verloren gingen, stimmt diese Deutung einfach nicht.

Jesus spricht in keiner Weise von der Zukunft; er sagt nicht: „Selig werden die Armen sein", sondern „Selig sind die Armen". Das Griechische kennt da sehr wohl einen Unterschied. Außerdem entspricht das griechische „makarioi eisin" dem hebräischen „ascherej", das z. B. in den Psalmen vorkommt, und das heißt einfach: „Mir gehts gut, ich bin gut beisammen, ich bin gut dran."

Wenn man das Gesagte überlegt, dann wird einem der gewaltige Widerspruch, die Paradoxie der Seligpreisungen so richtig bewußt. Und das ist gut so. Wenn etwas so unverständlich, so verblüffend unlogisch ist, dann besteht die Chance, daß man darüber nicht einfach hinweggeht, sondern daß man zu ergründen versucht, warum das jemand sagt. Jesus macht das übrigends häufiger: mit provozierender Sprache, mit scheinbaren Paradoxen und Überspitzungen zum Denken anzuregen.

Was also könnte es sein, was uns Jesus da zum Denken gibt?

Im Grunde geht es Jesus in seiner Lehre und in seinem Tun immer um dasselbe: die Gute Nachricht, daß Gott uns bedingungslos, unverlierbar liebt. Deshalb ist die einzige Antwort auf diese Liebe Dankbarkeit und absolutes Vertrauen.

Aber gerade dieses Vertrauen geht uns Menschen ab. Wir halten uns lieber an Sichtbares, wir halten uns fest an Menschen, an materiellen Sicherheiten, an Geschaffenem eben. Aber alles Geschaffene ist vergänglich: Menschen sind überfordert, wenn sie der absolute Halt sein sollen, und aus Treulosigkeit oder durch Schicksalsschläge können sie uns entzogen werden. Materielle Absicherungen sind genauso unzuverlässig: Geld kann wertlos werden, Versicherungsgesellschaften können pleite gehen, Immobilien können einem weggenommen werden. So ist es mit dem Ansehen der Mitmenschen - eine der unsichersten „Kapitalanlagen" überhaupt, so ist es mit der medizinischen und allen anderen Wissenschaften, auf die man sich in Krisenzeiten verläßt.

Es gibt nur Eines, das absolut beständig ist, das für uns ein unverlierbarer Halt sein kann - Gott selbst. Wenn ich das einmal nicht nur erkannt habe, sondern sogar leben kann, dann bin ich unabhängig von allem Wechselhaften, von allen Schicksalsschlägen und menschlichen Enttäuschungen; dann weiß ich mich sicher und geborgen - dann geht es mir gut, dann bin ich „selig". Gewiß, jeder menschliche oder auch materielle Verlust macht traurig, ist ein kleiner Tod; aber die notwendige Trauerzeit (die meist zur Reifung beiträgt) wird rascher überwunden, sie endet nicht in Resignation und Verzweiflung.

Nun wird es deutlich, was Jesus mit den Paradoxien in den Seligpreisungen meint: wer durch materielle Verluste ("Selig die Armen"), wer durch persönliche Verluste ("Selig die Trauernden"), wer durch den Verlust der eigenen Kraft oder Macht ("Selig, die keine Gewalt anwenden","selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit") zum unbedingten Vertrauen auf Gott gelangt, den kann kein noch so schwerer Schicksalsschlag mehr etwas anhaben. Trotz äußerer Bedrängnis, trotz Not und Elend, die einfach zu unserer vergänglichen Welt dazugehören, kann man innerlich erlöst, befreit, glücklich sein.

Unzählige Menschen zeigen durch ihr Leben, daß das möglich ist. Ich kenne eine ganze Reihe davon - und ich muß sagen, ich betrachte diese Menschen als Vorbild im Gottvertrauen. Vielleicht sitzen einige solche „Selige" hier in der Kirche, vielleicht neben Ihnen in der Kirchenbank?

AMEN

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