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2. Fastensonntag

Thema: Der transparente Jesus

Lesg./Ev.: Mt 17,1-9

gehalten am 28.02.1999 10:30h ESB von Eberhard Gottsmann, OStR

Evangelium

Mt 17:1 Sechs Tage danach nahm Jesus Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg. 2 Und er wurde vor ihren Augen verwandelt; sein Gesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden blendend weiß wie das Licht. 3 Da erschienen plötzlich vor ihren Augen Mose und Elija und redeten mit Jesus. 4 Und Petrus sagte zu ihm: Herr, es ist gut, daß wir hier sind. Wenn du willst, werde ich hier drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. 5 Noch während er redete, warf eine leuchtende Wolke ihren Schatten auf sie, und aus der Wolke rief eine Stimme: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören. 6 Als die Jünger das hörten, bekamen sie große Angst und warfen sich mit dem Gesicht zu Boden. 7 Da trat Jesus zu ihnen, faßte sie an und sagte: Steht auf, habt keine Angst! 8 Und als sie aufblickten, sahen sie nur noch Jesus. 9 Während sie den Berg hinabstiegen, gebot ihnen Jesus: Erzählt niemand von dem, was ihr gesehen habt, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.

Predigt

Liebe Christen!

Es wird immer mehr üblich, Geschenke ohne Verpackung zu überreichen. „Aus Umweltsgründen", so murmelt man, wenn man dem Geburtstagskind ein nackertes Buch oder eine nackerte Weinflasche in die Hand drückt.

Ich halte das im Prinzip für sehr löblich - schon deshalb, weil es meiner Bequemlichkeit entgegenkommt, und weil ja tatsächlich die Entsorgung von Verpackungsmüll zum Problem geworden ist - von Rohstoffverschwendung ganz zu schweigen.

Aber ehrlich gesagt: ich freue mich mehr, wenn ich Geschenke erhalte, die liebevoll und phantasiereich eingewickelt sind. Die Verpackung ist sozusagen Vermittler, Träger einer Botschaft: „Ich habe mir für dich Mühe gegeben, weil ich dich mag. Ich möchte dir nicht nur etwas Nützliches, sondern auch etwas Schönes geben, etwas, das deine Sinne erfreut!"

Allerdings wäre es ein Unsinn, die Verpackung für wichtiger zu halten als den Inhalt. Auf die Idee, die Weinflasche wegzuwerfen und das schöne Einwickelpapier aufzuheben, kommt wohl niemand. Und trotzdem passiert so etwas! Und dafür ist das heutige Evangelium ein Beispiel.

Geht es Ihnen nicht auch so, wie einem Schüler, der nach der Lektüre dieser Schriftstelle meinte: „Kann man denn so etwas glauben? Jesus soll verwandelt worden sein, sein Gesicht soll wie die Sonne geleuchtet, ja sogar seine Kleider sollen gestrahlt haben? Und dann noch die beiden längst Verstorbenen: mit denen soll sich Jesus unterhalten haben? Da hört es aber bei mir auf. Auch wenn ich ein gläubiger Mensch bin - solche Ammenmärchen gehen mir zu weit!"

Da haben wir es! Da hat einer die Verpackung mitsamt dem Inhalt in den Papierkorb geworfen!

Den ersten Christen wäre das nicht passiert. Ihnen war von vorneherein klar, daß diese Erzählung - wie die meisten anderen Erzählungen in den Evangelien - eine Bedeutungsgeschichte, also nur die Verpackung war. Sie waren es gewohnt, Aussagen oder Überzeugungen in Bilder zu kleiden. Sie wußten: manches kann man gar nicht ohne „passende Verpackung" deutlich machen.

Aber da wir heutige Menschen nun mal nüchtern und umweltbewußt sind, reißen wir doch probeweise die Verpackung herunter und schauen, welcher Inhalt in unserer Geschichte steckt!

Das Leben der Jünger, wie jedes Christen, spielt sich zumeist im Tal, also in der Alltagswelt mit ihren Sorgen und Mühen ab. Nur manchmal, ziemlich selten sogar, kann man von einem Berg aus die Sache „von oben" betrachten - man gewinnt für kurze Zeit Abstand und Überblick, vielleicht sogar „Durchblick".

So eine „Sternstunde" erleben heute auch die drei Freunde: Petrus, Jakobus und Johannes. „Auf einem hohen Berg" - also in Abstand zum gewohnten Leben - wird ihnen plötzlich klar, wer dieser Jesus eigentlich ist und was sie ihm zu verdanken haben.

Wie jeder andere Mensch hatten sie sich bisher ganz bestimmte Vorstellungen von Gott zurechtgebastelt. Aber all diese „Gottesbilder" waren Phantasieprodukte, zusammengesetzt aus Ängsten, Hoffnungen und Projektionen - Hirngespinste also, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben mußten.

Und nun eröffnet ihnen dieser Mensch Jesus seit einigen Monaten, wie dieser Gott in Wahrheit ist: unendliche, unverlierbare und bedingungslose Liebe. Er tut das nicht nur mit Worten, mit Vergleichen und Bildern - er zeigt das auch ganz konkret durch sein Handeln! Er spricht Leuten mit Schuldgefühlen die Vergebung Gottes zu, er macht verzweifelte, leidende Menschen heil und froh - und immer mit dem Anspruch: genauso handelt auch Gott!

Bisher hatten das die Jünger mehr oder weniger beeindruckt registriert, in sich aufgenommen, gespeichert sozusagen. Aber in dieser Sternstunde wird ihnen plötzlich klar: „Durch Jesus scheint uns Gott in seiner strahlenden Liebe auf!" So kann man - in orientalischer Ausdrucksweise - wirklich sagen: Jesus ist Gottes Sohn, weil er so ganz und gar im Sinne Gottes handelt! Nur durch diesen Menschen bekommen wir die Gewißheit: „Ja, so muß Gott sein!" Modern ausgedrückt: Jesus ist für Gott transparent wie eine Folie, durchsichtig wie eine Glasscheibe!

Und zugleich wird den Freunden Jesu noch weiteres deutlich: schon in früherer Zeit gab es Leute, die versuchten, den wirklichen Gott aufscheinen zu lassen: Mose im Gesetz, der hilfreichen und lebensermöglichen Weisung Gottes für sein geliebtes Volk - und die Propheten (verkörpert durch Elija) in ihren eindringlichen Bildern, Mahnungen und Belehrungen.

Aber nun sind Mose und Elija wieder fort - Gesetz und Propheten braucht es nicht mehr - Jesus allein ist nun auf dem Berg! Er allein genügt, er zeigt ja deutlicher als alle Vorstufen im Alten Testament, wie Gott wirklich ist: „Auf ihn hört!" - mehr ist nicht nötig.

Es ist verständlich, daß der temperamentvolle Petrus diese Erfahrung konservieren will. „Hütten bauen" - das wenn man bei solchen „Lichtblicken" könnte, oder wie wir Bayern sagen würden: „Geh´ weiter, Zeit, bleib´ steh´!". - Aber es geht gnadenlos wieder hinab ins Tal - in den Alltag, ja auf den Kreuzweg. Solche „lichtvollen Augenblicke" sind nur Zwischenstationen, die Kraft zum Weitermachen geben können.

Aber kann sich die „Verklärungsgeschichte" nicht wiederholen? Könnten wir nicht, wenn uns schon einmal „ein Licht aufgegangen ist", zwei oder mehr Freunde auf den Berg mitnehmen? Vielleicht machen auch sie die gleiche Erfahrung, angesteckt durch unsere Überzeugung und Begeisterung?

Der von Jesus begeisterte Mattäus hat das mit seiner Geschichte versucht. Sicher hat er damit unzähligen Menschen den Glauben an Jesus, den Gottessohn, vermitteln können. Aber eben nur solchen, die nicht an der Verpackung hängen geblieben sind.

AMEN

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