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13. Jahressonntag 1999

Thema: Christus als Gast
Mt 10,37-42
gehalten am 27.06.99 09:00h in ESB
von Eberhard Gottsmann, OStR

Evangelium

37 Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig. 38 Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig. 39 Wer das Leben gewinnen will, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.

40 Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat. 41 Wer einen Propheten aufnimmt, weil es ein Prophet ist, wird den Lohn eines Propheten erhalten. Wer einen Gerechten aufnimmt, weil es ein Gerechter ist, wird den Lohn eines Gerechten erhalten. 42 Und wer einem von diesen Kleinen auch nur einen Becher frisches Wasser zu trinken gibt, weil es ein Jünger ist - amen, ich sage euch: Er wird gewiß nicht um seinen Lohn kommen.

Predigt

Liebe Christen!

In einer süddeutschen Buchmalerei aus dem 14. Jahrhundert wird Christus als armer, barfüßiger Wanderer dargestellt, der von einer vornehmen Dame gefüttert wird. Was damit gemeint ist, ist klar genug: wer einen armen Menschen von der Straße aufnimmt, der versorgt in Wirklichkeit den Gottessohn, ein Thema, das auch im heutigen Evangelium anklingt.

Als dieser Text geschrieben wurde, so um das Jahr 80 nach Christus herum, gab es zwei Gruppen von Christen: Wandermissionare, die radikal in die Fußstapfen ihres Meisters traten, und seßhafte Gemeindemitglieder, die das Wirken der Wandermissionare materiell und ideell unterstützten.

Im ersten Teil des Evangeliums wird ein Christsein beschrieben, das im Gegensatz zur herrschenden Gesellschaft stand: Wer Christ wurde, mußte damit rechnen, daß er aus seiner Familie herausfiel, daß er von seinen nächsten Verwandten verstoßen würde. Einem Christen konnte es blühen, daß er seinem Meister buchstäblich das Kreuz nachtragen mußte, hin zum gewaltsamen Tod. In den 2000 Jahren unserer Kirchengeschichte haben nicht wenige Christen für ihre Überzeugung das Leben hingegeben. Sie haben es - sagt Jesus heute im Evangelium - "um meinetwillen verloren", aber sie haben es gerade dadurch in einer neuen Form gewonnen; sie sind in die Lebensgemeinschaft des Auferstandenen eingetreten, der den "Tod überwunden und das Leben neu geschaffen hat" (wie es im 4. Hochgebet heißt).

Im zweiten Teil des Evangeliums geht es um positive Erfahrungen der frühchristlichen Wandermissionare. Wer in ihre Reihen trat, verlor nicht nur etwas, nämlich Heimat, Familie und Beruf, er gewann auch vieles. "Wer euch aufnimmt", sagt Jesus, "der nimmt mich auf ... und den, der mich gesandt hat". Mit anderen Worten: Wer um Jesu willen heimatlos und arm geworden war, gewann dafür bei seinen Glaubensgenossen hohe Autorität. Er galt als Stellvertreter Christi, er durfte mit dem selben Anspruch auftreten wie sein Meister.

Die seßhaften Christen, die Häuser und Grundbesitz hatten, fühlten sich geehrt, wenn ein Wandermissionar bei ihnen einkehrte. Wer so einem "Gerechten", also einem wandernden Asketen wirtschaftlich beistand, der durfte im Endgericht auf einen Lohn hoffen, wie er dem heiligen Mann selber bestimmt war - das bedeutet der Ausdruck: "Wer einen Gerechten aufnimmt, weil es ein Gerechter ist, wird wie ein Gerechter belohnt werden."

Wer aber auch nur einem "Kleinen", also einem Christen von der Straße, der die Frohbotschaft verkündete, einen Dienst erwies, durfte ebenfalls gewiß sein, daß Gott seine Tat nicht vergessen würde und sie mit reichem Lohn vergelten wird. Daß das alles auch heute noch - wenngleich in abgewandelter Form - seine Geltung hat, ist klar; daß auch heutzutage noch ein Christ durch seine religiöse Berufung in Konflikt mit seiner Familie geraten kann oder im Extremfall sogar sein Leben für Christus hingeben muß, wissen wir.

Aber noch ein weiterer Aspekt wird durch das Evangelium deutlich: Der Christ und seine Kirche müßten eigentlich immer "auf dem Weg sein". Ein Christentum, das sich festsetzt, das Paläste und unwandelbare dogmatische Systeme errichtet, entfernt sich von seinem Gründer, der keinen Ort hatte, wohin er sein Haupt legen konnte, und der den Willen Gottes in jeder Situation neu erfuhr und schöpferisch verwirklichte.

Was bedeutet das für uns? Jesus lädt uns ein, unnötigen Ballast abzuwerfen, arm zu werden - also zu lernen, loszulassen und mit ihm in eine unbekannte und ungesicherte Zukunft aufzubrechen. Wenn wir auch nicht wissen, was sie uns bringt - er verspricht uns, daß er mit uns wandern wird, und daß er uns am Ende des Weges eine Freiheit und eine Freude finden lassen wird, die alles aufwiegt, was wir um seinetwillen aufgegeben haben. AMEN

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