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12. Jahressonntag 1999

Thema: Festgezurrt an Gott
Jer 20,10-13; Mt 10,26-33
gehalten am 19.06.99 19:00h in Kirchenlaibach, am 20.06.99 10:30h in ESB
von Eberhard Gottsmann, OStR

 

Lesung aus dem Buch Jeremia

Jer 20,10 Ich hörte das Flüstern der Vielen: Grauen ringsum! Zeigt ihn an! Wir wollen ihn anzeigen. Meine nächsten Bekannten warten alle darauf, daß ich stürze: Vielleicht läßt er sich betören, daß wir ihm beikommen können und uns an ihm rächen. 11 Doch der Herr steht mir bei wie ein gewaltiger Held. Darum straucheln meine Verfolger und kommen nicht auf. Sie werden schmählich zuschanden, da sie nichts erreichen, in ewiger, unvergeßlicher Schmach.12 Aber der Herr der Heere prüft den Gerechten, er sieht Herz und Nieren. Ich werde deine Rache an ihnen erleben; denn dir habe ich meine Sache anvertraut. 13 Singt dem Herrn, rühmt den Herrn; denn er rettet das Leben des Armen aus der Hand der Übeltäter.

Evangelium aus dem Evangelium nach Mt

Mt 10, 26 Darum fürchtet euch nicht vor den Menschen! Denn nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt wird, und nichts ist verborgen, was nicht bekannt wird. 27 Was ich euch im Dunkeln sage, davon redet am hellen Tag, und was man euch ins Ohr flüstert, das verkündet von den Dächern.

28 Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können, sondern fürchtet euch vor dem, der Seele und Leib ins Verderben der Hölle stürzen kann. 29 Verkauft man nicht zwei Spatzen für ein paar Pfennig? Und doch fällt keiner von ihnen zur Erde ohne den Willen eures Vaters. 30 Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt. 31 Fürchtet euch also nicht! Ihr seid mehr wert als alle Spatzen zusammen.

Predigt

Liebe Christen!

Das Wort „Amen", mit dem wir jedes Gebet abschließen, kommt aus der hebräischen Sprache, vom Verbum „aman". Es bedeutet in seiner Grundbedeutung: „festmachen", „befestigen", so wie ein Nomade sein Zelt festpflockt, ein Gärtner einen Baum einpflanzt oder ein Fischer sein Boot am Poller festzurrt.

Mit dieser Erklärung im Hinterkopf schauen wir uns zunächst einmal die Lesung näher an.

Jeremia, der mutige Rufer und Warner aus der Zeit der Babylonischen Kriege, wird nicht müde, immer wieder auf Mißstände und drohendes Unheil hinzuweisen. Aber sehr viel Erfolg hat er nicht mit seinen leidenschaftlichen Appellen. Kaum einer nimmt ihn ernst, und andere betrachten ihn als Unke und ewigen Meckerer und hassen ihn dafür. Aber er fühlt: ich muß es tun, mein Gewissen verlangt es. Man könnte es auch so ausdrücken: er fühlt sich dem Ruf Gottes verpflichtet, und ver-antwortlich, muß also diesem Ruf „antworten".

Ich kann mir gut vorstellen, wie es ihm heute, in unserer Gegend, erginge. „Halt doch den Mund, man muß doch nicht alles sagen, was man denkt. So bekommst du nur Schwierigkeiten und Ärger! Und vor allem: die Leute reden schon über dich! Und an den guten Ruf deiner Familie denkst du wohl garnicht?"

Aufrechte Leute wie Jeremia hatten es zu keiner Zeit leicht. Denn die Masse, das Volk ist nicht gerade mutig zu nennen. Überhaupt ist Zivilcourage Mangelware, nicht nur in der Nördlichen Oberpfalz. Wie oft verrät man täglich seine Überzeugung, wie häufig hält man berechtigten Protest zurück, nur damit man ja keinen Konflikt verursacht! „Was könnten dann die anderen sagen!"

Haben Sie sich schon einmal ein Schiffstau, das zum Festzurren eines Bootes verwendet wird, näher angesehen? So ein Tau ist viel sicherer als eine Kette; denn wenn in einer Kette ein Glied bricht oder auseinandergebogen wird, ist das Boot ein Spielball der Wellen. Wegen nur eines gebrochenen Gliedes verlieren alle anderen ihren Wert! Ein Schiffstau dagegen setzt sich aus vielen dünneren Seilen zusammen, die sich um ein Seil im Zentrum winden, der sogenannten „Seele" des Taus. Wenn nun das eine oder andere Seil reissen sollte, halten die anderen das Schiff immer noch am Poller fest.

Bildhaft gesprochen, ist auch unser Leben mit vielerlei miteinander verschlungenen Seilen gesichert. Geborgenheit in einer Familie, Beruf, Freunde, ein gewisses finanzielles Polster auf der Bank und so fort. Jede diese Absicherungen ist relativ, auf keine kann man sich absolut verlassen. Erst durch die die „Seele des Taus", durch den Innen-Halt Gott können wir sicher sein, daß uns im Grunde nichts geschehen kann.

Wenn dann ein einzelnes Seil bricht, ein Bruch der Familie, Arbeitslosigkeit, Geldverlust, oder wenn gar „alle Stricke reißen", dann werden wir nicht gleich losgerissen und haltlos.

Fehlt aber solch eine „Seele", dann sind die einzelnen, dünneren Seile der entscheidende Halt; aber durch ihre naturgemäße Vergänglichkeit und Wandelbarkeit können sie keine letzte Sicherheit mehr geben. Wenn dann „alle Stricke reißen", ist man der Sinnlosigkeit total ausgeliefert.

Das meint Jesus, wenn er vom „Glauben" spricht. Denn mit diesem Wort meint er nie ein „Für-wahr-Halten" von Glaubenssätzen, wie man uns seit Kindertagen beigebracht hat. „Glaube", „Vertrauen" bedeutet für ihn: „Verlaßt euch nicht auf einzelne Bindungen, die vergänglich sind und - wie alles irdische - keinen dauerhaften Bestand haben. Verlaßt euch auf die „Seele" des Taus, bindet euch an Gott, der allein unvergänglich und unwandelbar ist!"

Und damit sind wir schon beim heutigen Evangelium angelangt: „Fürchtet euch doch nicht!"

Denn in dem Maß, in dem man sich an Gott „anbindet", in dem selben Maß wird man auch unabhängiger und freier von dem, „was die Leute sagen", von der Angst, jemanden verlieren zu können, von der Furcht vor Konflikten und dem Verlust gewohnter Sicherheiten.

„Fürchtet euch nicht vor den Menschen - Gott ist euer Halt, der alle eure Haare auf dem Kopf gezählt hat. Fürchtet euch auch nicht, das zu auszusprechen, wovon ihr überzeugt seid: es ist nicht wichtig, was die anderen von euch denken, sondern wie euch Gott beurteilt. Steht doch zu eurem Gewissen, zu eurer innersten Überzeugung - ist denn euer Selbstwertgefühl von Äußerlichkeiten, von der Meinung anderer abhängig? Ihr seid viel mehr wert als alle Spatzen zusammen, aber nicht, weil euch Menschen für wertvoll halten, sondern weil ihr für Gott einmalig, wertvoll und liebenswert seid!"

AMEN

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