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9. Jahressonntag

Thema: Bei Rot über die Ampel?
Lesg./Ev.: Dtn 5,12-15; Mk 2,23-3,6
Erstellt 1997
von E. Gottsmann, OStR

Lesung Dtn 5,12-15

5,12 Achte auf den Sabbat: Halte ihn heilig, wie es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht hat. 13 Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun. 14 Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, dein Rind, dein Esel und dein ganzes Vieh und der Fremde, der in deinen Stadtbereichen Wohnrecht hat. Dein Sklave und deine Sklavin sollen sich ausruhen wie du. 15 Denk daran: Als du in Ägypten Sklave warst, hat dich der Herr, dein Gott, mit starker Hand und hoch erhobenem Arm dort herausgeführt. Darum hat es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht, den Sabbat zu halten.

Evangelium Mk 2,23-3,6

2,23 An einem Sabbat ging er durch die Kornfelder, und unterwegs rissen seine Jünger Ähren ab. 24 Da sagten die Pharisäer zu ihm: Sieh dir an, was sie tun! Das ist doch am Sabbat verboten. 25 Er antwortete: Habt ihr nie gelesen, was David getan hat, als er und seine Begleiter hungrig waren und nichts zu essen hatten - 26 wie er zur Zeit des Hohenpriesters Abjatar in das Haus Gottes ging und die heiligen Brote aß, die außer den Priestern niemand essen darf, und auch seinen Begleitern davon gab? 27 Und Jesus fügte hinzu: Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat. 28 Deshalb ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat. 3:1 Als er ein andermal in eine Synagoge ging, saß dort ein Mann, dessen Hand verdorrt war. 2 Und sie gaben acht, ob Jesus ihn am Sabbat heilen werde; sie suchten nämlich einen Grund zur Anklage gegen ihn. 3 Da sagte er zu dem Mann mit der verdorrten Hand: Steh auf und stell dich in die Mitte! 4 Und zu den anderen sagte er: Was ist am Sabbat erlaubt: Gutes zu tun oder Böses, ein Leben zu retten oder es zu vernichten? Sie aber schwiegen. 5 Und er sah sie der Reihe nach an, voll Zorn und Trauer über ihr verstocktes Herz, und sagte zu dem Mann: Streck deine Hand aus! Er streckte sie aus, und seine Hand war wieder gesund. 6 Da gingen die Pharisäer hinaus und faßten zusammen mit den Anhängern des Herodes den Beschluß, Jesus umzubringen.

Predigt

Liebe Christen!

Hand aufs Herz: würden Sie die Straße überqueren, obwohl die Fußgängerampel rot zeigt?

Sie brauchen mir natürlich nicht zu antworten - man weiß ja nie, ob nicht ein Polizist neben einem in der Kirchenbank sitzt. Aber ich verrate Ihnen, was ich tue: in den allermeisten Fällen warte ich grün ab, bevor ich über die Straße gehe. Bei starkem Verkehr sowieso; da wäre es ja fast Selbstmord, bliebe man nicht stehen. Aber ich bleibe auch meistens dann stehen, wenn kein Auto weit und breit zu sehen ist - schon deshalb, damit ich anderen kein schlechtes Beispiel gebe, vor allem Kindern gegenüber!

Aber nehmen wir mal an, so ein Kind würde - ohne zu schauen - bei starkem Verkehr auf die Straße laufen; würden Sie dann dem Kind nacheilen und es zurückreißen, obwohl die Ampel rot ist? - Ich nehme an, daß Sie alle soviel Verantwortungsgefühl besitzen, daß Sie das tun würden: das Kind retten, obwohl das Betreten der Straße bei rot gesetzlich verboten ist!

Mit anderen Worten: Sie würden ein Gesetz eines höheren Wertes wegen (in diesem Fall Gesundheit oder Leben eines Kindes) übertreten!

Genau darum geht es in unserem heutigen Evangelium.

Im jüdischen Glauben gibt es kaum ein Gebot, das so ernst genommen wurde und bei strenggläubigen Juden heute noch wird, als gerade das Arbeitsverbot am Sabbat. Im Laufe von Jahrhunderten klügelten unzähligen Gelehrte Regeln und Vorschriften aus, wann etwas als Arbeit - und daher als verboten - betrachtet werden müsse und wann nicht. 39 solcher Kategorien wurden da ausgetüftelt; beispielsweise Feuer anmachen, Schreiben, Auftrennen, Reißen, Scheren, Mahlen, Sieben oder Dreschen. Unter diese Kategorien wurden nun alle denkbaren Tätigkeiten eingeordnet; und daher kommt es, daß Jesus im heutigen Evangelium Ärger bekommt. Er als Rabbi, als Professor, ist ja für das Tun seiner Talmidim, seiner Studenten, verantwortlich, und die haben aus Hunger Ähren abgerissen und mit den Händen die Spelzen entfernt. Das gehört in die Kategorie Ernten, Dreschen und Worfeln, bedeutet also Sabbatschändung!

Zwar wurde es zur Zeit Jesu kaum mehr praktiziert, aber prinzipiell stand nach dem Gesetz des Mose darauf die Todesstrafe!

Interessant nun, wie Jesus argumentiert - typisch rabbinisch, mit „Beweisen" aus der Heiligen Schrift! Er bringt das Beispiel eines prominenten und hochgeachteten Juden, nämlich Davids, der ebenfalls - und zwar ungestraft! - das Sabbatgesetz gebrochen hatte. Bei David stand der gleiche Grund dahinter wie bei seinen Schülern: nämlich der Hunger!

Damit macht Jesus etwas deutlich, was auch für uns noch von immenser Bedeutung ist: Gott hat seine Gebote nicht aus Schikane verfügt, sondern damit es den Menschen gut geht! Also aus Liebe und Fürsorge für seine Geschöpfe. Daher kann ein Gesetz, das unmenschlich, ja auch nur lieblos ist, nicht im Sinne Gottes sein!

Wie um diese Überzeugung Jesu zu zementieren, fügt Markus noch ein weiteres Beispiel eines Sabbatbruchs hinzu: Jesus heilt einen Mann, dessen Arm gelähmt war. Nach herkömmlicher Lehre durfte dieser Mann nicht am Sabbat behandelt werden - es handelte sich ja nicht um etwas Lebensbedrohliches - nur dann wäre die Ausnahme gestattet gewesen. Geradezu provokativ macht Jesus diesen Mann gesund, obwohl er das sicher auch noch am nächsten Tag hätte tun können.

Denken, wie Gott denkt - handeln, wie Gott handelt: das ist der unüberhörbare Aufruf Jesu an uns alle. Ein Gesetz, das ohne Liebe ist, kann nicht im Sinne Gottes sein! Vorschriften, die den Menschen beengen und unglücklich machen, können nicht im Sinne Gottes sein!

Zurück zu unserem Ampel-Beispiel: während uns allen unmittelbar einleuchtet, daß es in Ordnung, ja sogar notwendig ist, Verkehrsvorschriften zu übertreten, wenn es um das Wohl des Menschen geht, ist es bei religiösen Geboten oft gar nicht klar. Dabei müßten wir gerade hier immer im Hinterkopf behalten, daß Gott ein Gott der Liebe ist, der nur das beste für uns Menschen will, und der auch von uns erwartet, zum Besten der Mitmenschen zu handeln!

Einige Beispiel zum Nachdenken:

Oder zwei Beispiele von heute:

Ich überlasse es Ihnen, darüber nachzudenken und diese Gesetze mit der Einstellung Jesu zu vergleichen; und ich überlasse Ihnen auch, noch viele andere Beispiele aus dem Alltag zu finden, wo man sich stur auf Gesetze, Regeln, Normen beruft, obwohl damit Menschen unglücklich oder unterdrückt werden!

„Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat" - oder allgemeiner formuliert: „Wenn ein Gesetz nicht 'mit Liebe gefüllt' ist, wenn es nicht letztlich dem Wohl des Menschen dient, dann kann es nicht vom liebenden Vatergott stammen!" - und wenn es hundertmal so hingestellt wird!

AMEN

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