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6. Ostersonntag 2000

Thema: Gott ist die Liebe
Lesg./Ev.: 1Joh 4,7-10; Joh 15,9-17
gehalten am 28.05.2000 um 09:00h in Eschenbach
von Eberhard Gottsmann, OStR

 

Lesung 1Joh 4,7-10

Liebe Schwestern und Brüder, wir wollen einander lieben; denn die Liebe ist aus Gott, und jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist die Liebe. Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch offenbart, daß Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben. Nicht darin besteht die Liebe, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat.

Evangelium Joh 15,9-17

Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe. Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird. Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage. Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe. Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet. Dies trage ich euch auf: Liebt einander!

Predigt

Liebe Christen!

Wenn Sie einmal untersuchen würden, was die einzelnen Christen unter dem Begriff „Gott" verstehen, dann kämen Sie aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Weniger durch Worte als durch das Verhalten dieser Leute würde dann deutlich, daß die einen unter „Gott" eine Art Oberpolizisten verstehen, der genau und unbestechlich notiert, welches Gesetz der einzelne übertritt.

Der andere versteht darunter ein Wesen, das in Notfällen dazusein hat, eine Art „Feuerwehrgott", der nur gebraucht wird, wenn es brennt.

Und wieder ein anderer sieht in Gott nur ein wunderschön romantisches Beiwerk zu Hochzeiten oder Beerdigungen.

Mancher Politiker oder Kirchenfürst sieht in Gott nur eine Stütze seiner Macht; mancher Neurotiker eine Quelle seiner Ängste.

Forschen Sie ruhig einmal weiter nach - Sie werden auf eine ganze Reihe solcher Gottesvorstellungen stoßen, die alle eines gemeinsam haben: sie haben mit dem wirklichen Gott überhaupt nichts zu tun - sie sind menschliche Projektionen, nichts weiter. „Ein Gott, der in unser menschliches Gehirn passen würde, kann aber nicht der wahre Gott sein!" - so legt uns die Logik nahe.

Bei einem Vortrag, den ich vor einiger Zeit gehalten habe, fragte mich jemand, warum heutzutage so wenige Jugendliche etwas mit der Kirche anfangen könnten. Ich gab zur Antwort, daß der Gott, den die offizielle Kirche vermittelt, für sie alles andere als attraktiv sei: ein Gott, der aus Geboten und Verboten besteht, der die Freiheit einschränkt, der absoluten Gehorsam fordert, auch wenn die Menschlichkeit dabei auf der Strecke bleibt. Man könnte es auch so umschreiben: die Kirche ist nur selten ein Zeichen (= ein Sakrament!) für den liebenden Gott, viel häufiger ein Zeichen für menschliche Unzulänglichkeit und Borniertheit.

In der Tat: auch wir, die offiziellen Vertreter der Kirche, sind nicht frei von menschlichen Vorstellungen, die wir auf Gott projizieren. Auch wir sind nicht frei von der Gefahr, Gott als Garant unserer Macht zu mißbrauchen; Gott vorzuschieben, wenn wir enge und menschenfeindliche Moralvorstellungen durchsetzen wollen.

Daß wir damit oft Gott Unrecht tun, ja ihn geradezu verleumden, wird uns kaum bewußt. Umso notwendiger aber ist es, unsere Vorstellungen immer und immer wieder an den Aussagen Jesu zu korrigieren - und zwar mit letzter Konsequenz!

Die heutige Lesung aus dem 1. Johannesbrief wie auch der Evangelientext zeigen in seltener Klarheit, welches Gottesbild Jesus vermittelt hat.

Für ihn ist Gott pure Liebe - absolute, unverlierbare, bedingungslose, stets verzeihende Liebe. Und wenn in unserer materiellen Welt irgendwo selbstlose Liebe erfahrbar wird, dann ist sie nicht ein Produkt menschlicher Anstrengung oder Leistung, sondern Gott selbst, der an andere weitergegeben wird.

Die einzige „Leistung" des Menschen besteht darin, sich dieser Liebe zu öffnen und sie weiterzuleiten, wie ein Schleusenwärter, der den Wasserstrom nicht herstellen, sondern nur regulieren kann.

Diese Überzeugung Jesu mag uns allen bekannt sein. Aber es ist wie verhext: sogleich überlagern unsere eingefleischten menschlichen Vorstellungen diese befreiende Botschaft.

Wie gesagt: auch die Vertreter der offiziellen Kirche sind keineswegs frei von solchen (wenn auch verständlichen) menschlichen Projektionen.

Wenn aber jemand - und das ist selten genug! - konsequent und ohne Abstriche diese Lehre Jesus verkündet, dann werden gerade die „guten Christen", die Gerechten, die Gesetzestreuen bitterböse. Wer einen anderen Gott verkündet, als den kleinen, menschlichen Gott ihres kleinen, menschlichen Gehirns, wird schnell zum Ketzer oder gar zum Ungläubigen.

Es ist fast eine Sisyphusarbeit, immer und immer wieder darauf zu verweisen, welchen Gott Jesus selbst verkündet. Aber hin und wieder geht die Saat auf. Dann kann man erleben, daß die Frohe Botschaft vom unendlich, bedingungslos liebenden, stets verzeihenden Gott einen Menschen aufatmen, schwere Schicksalsschläge annehmen, die Angst vor Tod und Hölle verlieren läßt - mit einem Wort: daß diese Frohe Botschaft einen Menschen befreit und erlöst. Dann fühlt man sich nicht mehr als Knecht, der kein eigenes Ich haben, seinen Verstand nicht benutzen darf, der nur blind zu gehorchen hat - sondern als Freund, als selbstverantwortlichen, eigenständig denkenden, angstfreien Mitarbeiter Gottes.

Seit ich den Mut hatte, Gott konsequent als die Quelle aller Liebe zu akzeptieren, lese ich auch die Bibel mit neuen Augen - und Ihnen wird es auch so gehen, wenn Sie das tun.

Dann verkehren sich angstmachende Begriffe ins Gegenteil;

Einzige Voraussetzung ist:

AMEN

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