Zurück zur Homepage
Zurück zur Predigtsammlung

3. Jahressonntag 2000

Thema: Umkehren - glauben!
Lesung / Evangelium: Mk 1,14-20
gehalten am 23.01.2000 9:00h ESB
von Eberhard Gottsmann, OStR

Evangelium

14 Nachdem man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus wieder nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes 15 und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!

16 Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er Simon und Andreas, den Bruder des Simon, die auf dem See ihr Netz auswarfen; sie waren nämlich Fischer. 17 Da sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. 18 Sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm. 19 Als er ein Stück weiterging, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren im Boot und richteten ihre Netze her. 20 Sofort rief er sie, und sie ließen ihren Vater Zebedäus mit seinen Tagelöhnern im Boot zurück und folgten Jesus nach.

Predigt

Liebe Christen!

Was so ein echter Richard-Wagner-Fan ist, der kann nicht nur bereits nach wenigen Takten den Namen der Oper nennen. Noch viel erstaunlicher ist, daß er schon in der Ouvertüre erkennen kann, welche Personen oder Ereignisse da angedeutet werden, denn der Komponist ordnete ihnen ganz charakteristische Leitthemen zu.

Ähnlich verfahren auch die Evangelisten, heute beispielsweise Markus, der das älteste der Evangelien verfaßt hat. Gleich zu Beginn des ersten Kapitels, im Vers 15, läßt er Jesus das Leitthema seiner Botschaft nennen: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an die Frohe Botschaft!"

Es ist soweit: was Menschen je ersehnt, worauf sie gewartet und gehofft haben, findet jetzt Erfüllung. Alle Unsicherheit, alle vagen Vermutungen finden ein Ende:

Ist die Welt nur Spielball launischer, grausamer Götter, wie viele Griechen und Römer vermutet haben?

Ist Gott ein gnadenlos gerechter Richter, der jede Schuld und jedes Versagen registriert und ahndet - wenn nicht schon jetzt, auf Erden, dann jedenfalls nach dem Tod?

Wird es nach diesem Leben vielleicht genauso weiter gehen wie jetzt, mit all dem Leid und all den Ungerechtigkeiten? Oder werden die Guten belohnt und die Bösen endlich bestraft?

Natürlich haben die Menschen aller Zeit - seit ihn ihnen das Bewußtsein erwacht ist - solche Fragen gestellt. Aber verbindlich konnte sie keiner beantworten, es blieb eine schreckliche Unsicherheit und Angst.

Jetzt ist damit Schluß: die Zeit ist erfüllt! Wir brauchen nicht länger auf Antworten zu warten: im Menschen Jesus geht Gott selbst auf uns Menschen zu und gibt uns die letztgültige, unmißverständliche Antwort.

Aber solange wir unseren angeborenen Denkschablonen verhaftet sind, können wir diese Antwort nicht annehmen, ja nicht einmal verstehen. Für uns muß Gott ein Wesen sein, das Böses mit Bösem vergilt, das Leistung belohnt und Böses bestraft. Anders können und wollen wir ihn uns nicht vorstellen. Und weil wir selbst andere verdammen, muß es selbstverständlich auch Gott so machen. Mit einem Wort: wir schaffen uns Gott nach unserem Bild und Gleichnis; wir projizieren unsere menschlichen Vorstellungen auf ihn, und weil wir selbst lieblos, grausam und unberechenbar sind, muß auch er so sein. Und weil wir gewohnt sind, andere durch Schmiergelder und Geschenke gefügig zu machen, glauben wir, auch Gott durch Bestechungen „festnageln" zu können.

Wie soll uns Gott klarmachen, daß er ganz anders ist, als unsere festgefahrene Meinung uns glauben machen will? Ein schwieriges Unterfangen, wie jeder weiß, der schon einmal versucht hat, andere von ihren Vorurteilen zu befreien.

Gott sagt durch Jesus: „Kehr um - glaub an die frohe Botschaft! Trau dich, neu und anders zu denken! Öffne dich doch einfach vorurteilslos der Freudenbotschaft, daß ich nichts als unverlierbare, bedingungslose und stets verzeihende Liebe bin! Trau mir doch zu, daß ich alles, was ihr Menschen versiebt habt und euch gegenseitig an Leiden zufügt, schließlich doch zum Guten wenden kann!

Und wenn du diese Botschaft einmal angenommen hast, dann fall nicht wieder bei der nächsten Gelegenheit in deine Schiene zurück, sondern denke und handle konsequent weiter! Denn wenn du dich selbst mit ewiger Liebe geliebt weißt, dann mußt du doch auch folgerichtig diese Liebe auch an andere weitergeben. Wenn du das alles tust, dann folgst du mir im eigentlichen Sinne nach!"

Liebe Christen!

Im Gegensatz zur herkömmlichen Meinung (auch von offizieller Seite) ist das Christentum kein Lehrsystem. Ein Lehrsystem ist tot, es läßt nicht befreit aufatmen und nicht erfüllt leben. Dogmen und Glaubensformeln, liturgische Regeln und kirchenrechtliche Paragraphen in allen Ehren - aber all das geht weit an dem vorbei, was Jesus wollte. Eugen Biser sagt mit Recht: „Das Christentum ist keine Gesetzesreligion, sondern eine Therapie!"

Heilen, befreien soll die Botschaft Jesu! Sie soll uns betroffen machen, unseren „wunden Punkt" treffen, damit wir von unseren Verletzungen, Ängsten und falschen Einstellungen geheilt werden können. Aber seien Sie doch ehrlich: müßten wir da nicht tatsächlich viel konsequenter sein?

Es ist wunderschön, wenn ein Prediger von der Liebe Gottes spricht, aber wenn er wenige Sätze später mit der Gerechtigkeit Gottes Angst macht, muß man ihm leider die Fähigkeit absprechen, logisch weiterdenken zu können. Gar manche Beiträge im Regensburger Bistumsblatt sind dafür Paradebeispiele. Die Gerechtigkeit Gottes ist nicht identisch mit dem, was wir Menschen unter Gerechtigkeit verstehen.

Außerdem ist Angst, genauso wie Angstmache immer ein Zeichen mangelnden Gottvertrauens und führt dazu, sich selbst durch religiöse oder andere „Leistungen" absichern zu wollen oder es von anderen zu verlangen. Besonders gefährdet sind in dieser Beziehung wir, die kirchlichen Amtsträger - und das ist deshalb so folgenreich, weil sie bezüglich des Glaubens doch meist als Autoritäten angesehen werden.

Gar manche unserer Mitchristen bleiben auf halbem Wege stecken: sie haben wohl erkannt, daß das Reich Gottes ein Reich der Liebe ist, aber es fehlt ihnen der Mut, diese Erkenntnis wirklich konsequent anzuwenden, oder sie lassen sich allzuschnell wieder verunsichern, weil ihre Überzeugung noch allzusehr von der Meinung anderer abhängt.

Darum mein Appell an uns alle:

Kehrt um, traut euch selbständig zu denken, orientiert euch nur an dem, was Gott in Jesus zu uns sagt: Vertraut der Frohen Botschaft von der ewigen, absoluten, bedingungslosen und stets verzeihenden Liebe Gottes - und wendet diese befreiende Erkenntnis konsequent und ausnahmslos auf euer ganzes Leben an! Dann wirkt eurer Vertrauen und eure Zuversicht auf andere ansteckend, dann ist das Reich Gottes zum Greifen nahe!

AMEN

Zurück zur Predigtsammlung
Zurück zur Homepage