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Osternacht bzw. Ostersonntag 2000

Thema: Deutungen und Wirklichkeit
Lesg./Ev.: Mk 16,1-8
gehalten am 22.04.00 20:00h Immenreuth / Kolpingsferienheim
und am 23.04.00 09:00h in Eschenbach
von Eberhard Gottsmann, OStR

Evangelium (Mk 16,1-8)

1 Als der Sabbat vorüber war, kauften Maria aus Magdala, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um damit zum Grab zu gehen und Jesus zu salben. 2 Am ersten Tag der Woche kamen sie in aller Frühe zum Grab, als eben die Sonne aufging. 3 Sie sagten zueinander: Wer könnte uns den Stein vom Eingang des Grabes wegwälzen? 4 Doch als sie hinblickten, sahen sie, daß der Stein schon weggewälzt war; er war sehr groß. 5 Sie gingen in das Grab hinein und sahen auf der rechten Seite einen jungen Mann sitzen, der mit einem weißen Gewand bekleidet war; da erschraken sie sehr. 6 Er aber sagte zu ihnen: Erschreckt nicht! Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier. Seht, da ist die Stelle, wo man ihn hingelegt hatte. 7 Nun aber geht und sagt seinen Jüngern, vor allem Petrus: Er geht euch voraus nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er es euch gesagt hat. 8 Da verließen sie das Grab und flohen; denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten niemand etwas davon; denn sie fürchteten sich.

Predigt

Liebe Festgemeinde!

„Django, du wirst immer in unserer Erinnerung weiterleben! Deine Motorradkumpel" - so ähnlich kann man hin und wieder in Todesanzeigen lesen.

Ist es das, was wir heute abend feiern: „Jesus, du wirst immer in unserer Erinnerung weiterleben"?

Was Jesus betrifft, so würde diese Aussage so einigermaßen zutreffen; immerhin hält sich diese Erinnerung schon fast 2000 Jahre. Bei Django bin ich mir nicht so sicher: vermutlich haben ihn seine Motoradfreunde längst vergessen und konzentrieren sich mittlerweile mehr auf Motoren, Freundinnen und Bierdosen.

Auf einen Punkt gebracht: erschöpft sich das, was wir „Weiterleben" nennen, in einer mehr oder weniger guten Erinnerung in den Köpfen von Hinterbliebenen? Dann würde sich - weltgeschichtlich betrachtet - die Auferstehung auf einige wenige Persönlichkeiten beschränken, und meist sogar auf die kriegslüsternsten, machtdurstigsten und brutalsten. Ein Buchhalter, eine Verkäuferin, ja sogar ein Top-Filmschauspieler oder berühmter Autor hätte von solch einem „Weiterleben" nicht lange etwas.

Auch eine andere Vorstellung von „Auferstehung" halte ich für äußerst problematisch, obwohl sie oft von durchaus gläubigen Christen vertreten wird: so eine Art Reanimierung am Jüngsten Tag. Ich weiß noch, welche Schwierigkeiten damit meine Großmutter hatte. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, daß am Auferstehungstag ein amputiertes Bein, das während des Weltkrieges irgendwo in Rußland begraben wurde, wieder seinen Weg zum ursprünglichen Eigentümer finden würde.

Nein, so naiv dürfen wir uns die Sache nicht vorstellen. Und doch könnten die Evangeliengeschichten solche Vorstellungen nähren, vorausgesetzt, man liest sie dem Buchstaben nach und ohne deren Sinn zu erfassen.

Was ist aber die eigentliche Bedeutung? Dazu müssen wir uns etwas vor Augen führen, das oft gerade für gläubige Menschen wie ein Schock wirkt:

Kaum einer von uns liest nämlich die vier Evangelien gleichsam nebeneinander - synoptisch, wie wir Theologen sagen. Jedes Jahr zwar die gleichen Geschichten, aber doch abwechselnd von einem anderen Autor! Und so merken wir gar nicht, wie unterschiedlich, ja widersprüchlich die selben Erzählungen sind! Bei Markus geht Maria von Magdala, ferner Maria, die Mutter des Jakobus und Salome zum Grab, um Jesus zu salben; bei Mattäus sinds nur Magdalena und „die andere Maria"; bei Lukas ist auf einmal eine Johanna mit anderen Frauen dabei - dafür fehlt Salome; bei Johannes schließlich ist nur Maria von Magdala die Erstzeugin des leeren Grabes - allerdings holt sie sogleich Petrus und Johannes.

Und erst die Begleitumstände! Mal ist bereits der Stein weggewälzt wie bei Markus, mal kommt ein Engel und wälzt den Stein weg, begleitet von einem Erdbeben, wie Mattäus ausschmückt, während Lukas und Johannes außer dem weggewälzten Rollfelsen auch noch die Leinenbinden erwähnen, die man im leeren Grab gefunden hat. Und schließlich die „Zeugen der Auferstehung": bei Markus sitzt ein junger, weißgekleideter Mann im Grab, der ihnen sagt, daß der Gekreuzigte auferstanden ist, mal ist es ein Engel, wie bei Mattäus, bei Johannes sind es sogar zwei, während Lukas einfach von zwei Männern in leuchtendem Gewand zu erzählen weiß. Schließlich weiß Mattäus auch noch, daß Grabwächter in Ohnmacht fallen - die anderen erwähnen überhaupt nichts davon.

Allen gemeinsam ist nur die Zeit des Grabbesuches, nämlich die frühe Morgenstunde, und die Tatsache, daß es Frauen waren, die das leere Grab entdeckten.

So kommen wir also nicht weiter. Längst wissen die Fachleute, daß diese Evangelienerzählungen Deutungsgeschichten nach Art des jüdischen Midrasch sind - und solche ausgeschmückten, legendenartigen Erzählungen können den Glauben an die Auferstehung kaum begründen - sie setzen ihn vielmehr voraus!

Was aber kann die Überzeugung an die Auferstehung begründen? Gibt es vielleicht irgend einen Beweis dafür, daß der grausam am Kreuz Verendete wirklich und tatsächlich weiterlebt? Anders gefragt: steckt in diesen Deutungsgeschichten ein historischer, ein realer Kern?

Die Logik sagt uns von vorneherein, daß ein „Beweis" im naturwissenschaftlichen Sinn gar nicht möglich sein kann. Denn wenn es eine Auferstehung gibt, dann handelt es sich nicht um ein Geschehen, das in unserer raum-zeitlichen, physikalischen Welt stattgefunden hat. Wenn so ein physikalischer Beweis möglich wäre, dann würde es sich ja eben nicht um die Auferstehung handeln, sondern allenfalls um die Reanimation eines Toten.

Nein, wir müssen unsere „Beweise" anderswoher bekommen: nämlich von der unerschütterlichen Überzeugung der zunächst verzweifelten und resignierten Freunde Jesu, daß Jesus wirklich und wahrhaftig lebt. Nicht das leere Grab aber konnte diese Überzeugung begründen - im Gegenteil: wie wir heute im Evangelium gehört haben, verwirrte und erschreckte diese Tatsache eher, als sie zum Glauben geführt hätte.

Im ältesten Zeugnis des Neuen Testamentes, nämlich im 15. Kapitel des 1. Korintherbriefes, schreibt Paulus:

15,4 Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, 5 und erschien dem Kephas, dann den Zwölf. 6 Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern zugleich; die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind entschlafen. 7 Danach erschien er dem Jakobus, dann allen Aposteln. 8 Als letztem von allen erschien er auch mir, dem Unerwarteten, der «Mißgeburt».

Nebenbei: Daß hier die Frauen nicht erwähnt werden, denen ja die Ehre der ersten Erscheinungen zukommt, hat mit der typisch jüdischen Auffassung zu tun, daß Frauen keine richtigen Zeugen sein können.

Der Kern dieser Stelle ist aber der: nicht ein leeres Grab ist der Anfang unseres Glaubens, sondern die Erfahrung, daß er wirklich und wahrhaftig lebt. Wie diese „Erscheinungen" beschaffen waren, was genau sie nun erlebt und erfahren haben, läßt sich zwar nicht mehr rekonstruieren - aber eines ist sicher: ihr Leben hat sich völlig geändert. Anstelle von Angst, Resignation und Verzweiflung tritt die unerschütterliche Überzeugung, daß Gott Jesus nicht im Stich gelassen hat, sondern daß er durch die Auferweckung bestätigt hat, daß alles richtig war, was er über ihn lehrte.

Dann ist also richtig,

Diese befreiende, frohmachende Botschaft ist der eigentliche Grund unserer Osterfreude. Was hätten wir davon, wenn irgendwann irgendwo einer von den Toten auferweckt worden wäre? Nein, die Auferweckung Jesu ist auch unsere eigene Auferweckung; denn sie ist das Urmodell für das, was Gott uns allen schenken wird. AMEN

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