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Karfreitag 2000

Thema: Dem Willen Gottes ergeben
Lesg./Ev.: Johannespassion
gehalten am 21.04.00 15:00h Weidenberg
von Eberhard Gottsmann, OStR

Evangelium

Johannespassion

Predigt

Liebe Christen!

Es ist mir schon immer merkwürdig vorgekommen, daß Jesus am Ölberg Blut geschwitzt haben soll. Natürlich haben sich auch Mediziner darüber Gedanken gemacht, ob so etwas möglich ist, und haben vermutet, daß bei einem Menschen, der übermenschliche Anstrengungen oder Ängste durchmachen muß, -die Kapillargefäße, also die feinsten Verästelungen der Blutgefäße, zerplatzen.

Aber mittlerweile interessiert mich die Frage, ob so etwas möglich ist oder nicht, kaum mehr. Denn inzwischen habe ich etwas viel Wichtigeres erkannt, das den Blutschweiß zur Nebensache werden läßt: Jesus wehrte sich gegen die entsetzliche Zumutung Gottes, sich an ein Kreuz nageln und wie ein Sklave oder Rebell hinrichten zu lassen. Derselbe Jesus, der sein ganzes Leben am Willen Gottes orientiert hat, der sogar seine Familie öfters vor den Kopf gestoßen hat, wenn sie ihn daran hindern wollte; derselbe, der den Petrus angefahren hat, weil der ihm vernünftigerweise davon abgeraten hatte, in sein eigenes Verderben zu laufen - derselbe Jesus ist nun an seine Grenze geraten.

Den Willen Gottes zu erfüllen, kann im Alltag ganz leicht sein. Wenn ein Nachbar, den ich sowieso gut leiden kann, um einen Gefallen bittet, dann erweise ich ihm den ohne weiteres - Gott will ja, daß wir den Nächsten lieben.

Oder wenn es der Wille Gottes ist, daß ich einmal auf etwas verzichten muß, das ich mir so sehr gewünscht habe - na gut, sein Wille geschehe. In den meisten Fällen reicht meine christliche Einstellung aus, um mich dem Willen Gottes zu unterwerfen.

Was aber nun von Jesus verlangt wird, das ist nichts Alltägliches mehr. Jesus, der ein feineres Gespür als jeder von uns hat, was Gott in jeder Situation von ihm verlangt, erkennt nun, daß derselbe Gott, den er als „Abba", d.h.. als liebenden, liebenswerten Vater erfahren hat, seinen Tod will. Keinen schnellen, schmerzlosen Tod, sondern den fürchterlichsten Tod, den die Menschen je ersonnen haben.

Wie Sie alle, bin auch ich in der Vorstellung aufgewachsen, daß Jesus eine Art göttlicher Übermensch war, der sozusagen mit links auch die schrecklichsten Qualen auf sich nehmen konnte. Gott kann das eben:, Leiden und Tod ertragen. Aber seit mir klar wurde, daß Jesus sich mit allen Fasern seines Körpers und seiner Seele gegen diese Zumutung Gottes gewehrt hat, kann ich nicht mehr so denken.

Ein klein wenig kann ich mir vorstellen, was es bedeuten kann, den Willen Gottes zu erfüllen.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als mir während eines Besinnungstages bei der Bundeswehr klar geworden ist, daß ich Priester werden soll. Ich wollte das überhaupt nicht - mein Leben hatte ich ganz anders geplant. Ein naturwissenschaftliches Studium, eine Freundin, die ich vielleicht heiraten würde, später eine Familie ... Es war ganz und gar nicht leicht für mich, zum Willen Gottes JA zu sagen. Noch dazu hat mich damals die gesamte Familie für verrückt erklärt, was die Entscheidung nicht gerade leichter machte. Ich weiß also, was es bedeutet, wenn Gott von einem verlangt, alle Pläne umzuschmeißen.

Aber was ist das schon im Vergleich zu dem, was Jesus als Willen Gottes erkannte?

Und - was vielen von uns nicht klar ist - Jesus hätte kneifen können. Es wäre ein Leichtes gewesen, bei Nacht und Nebel zu verschwinden, aus dem Machtbereich des Hohen Rates zu entkommen, oder - was sicher die Jünger dachten - eine Revolte anzuzetteln. Der Kampf Jesu am Ölberg, der Jesus völlig erschöpft hat, ging in einer anderen Richtung aus: konsequent, wie schon immer, entschied er sich für den Willen Gottes.

Wenn Jesus zu seinen Jüngern, die ihn in der schwersten Stunde seines Lebens alleingelassen hatten, zurückkehrt, dann ist bereits alles entschieden: „Mein Vater, wenn es nicht möglich ist, daß dieser Kelch an mir vorübergeht, dann geschehe dein Wille".

Ich bin überzeugt, daß auch Jesus es nicht geschafft hätte, diese letzte Vertrauensprobe zu bestehen, wenn er nicht sein ganzes vorausgegangenes Leben lang „geübt" hätte, auch im kleinsten auf Gott zu hören.

Damit sind wir wieder bei uns selbst angelangt. Wie sollen wir in der Lage sein, in schwereren Prüfungen JA zu Gottes Willen zu sagen, wenn wir schon in den kleinen Bewährungsproben des Alltags keinerlei Willen zeigen, das zu tun, was Gott von uns verlangt.

Aber woher soll ich wissen, daß das der Wille Gottes ist? Früher einmal war dafür der Pfarrer da. Man bekam genau vorgeschrieben, was man tun und lassen durfte, und in Zweifelsfällen hat man halt den Pfarrer gefragt. Aber das ist heute anders. Die meisten Pfarrer haben eingesehen, daß jeder Mensch selbst dem Anruf Gottes nachspüren muß, und daß keiner, auch kein Pfarrer, einem die Verantwortung abnehmen kann, die man Gott gegenüber hat. Es war zwar schon immer in der kirchlichen Lehre bekannt, wurde aber selten praktiziert: nämlich daß das Gewissen jedes einzelnen Menschen die entscheidende Instanz für ihn ist. Natürlich kann einem die Kirche dabei helfen; und Predigten sind ja eigentlich nichts anderes, als Hilfestellungen, den Willen Gottes zu finden. Bei der Suche danach, was Gott in dieser Situation speziell von mir will, bin ich aber alleingelassen. Hier kann ich keine Verantwortung auf den Papst oder den Pfarrer abwälzen. Hier stehe ich voll verantwortlich vor Gott.

Wir wissen aus dem Neuen Testament, daß sich Jesus immer wieder in die Einsamkeit zurückgezogen hat, um den Willen Gottes zu erfahren. Gerade bei den wichtigen Situationen des Lebens ist das wichtig; denn die Ablenkungen des Alltags lassen einen die leise Stimme Gottes oft überhören.

Wer von uns zieht sich denn schon in die Einsamkeit zurück und besinnt sich auf sich selbst, wenn er vor einem neuen Lebensabschnitt steht, wenn er sich z.B.. darüber klar werden will, ob der Berufswunsch oder die geplante Ehe - oder auch das Ordensleben - dem Willen Gottes entspricht? Vielleicht haben wir Angst davor, daß wir dann etwas ganz anderes von Gott gesagt bekommen als das, was wir selber geplant haben?

Liebe Christen!

Was wir heute in der Karliturgie bedenken, ist das Ergebnis dieses ständigen Suchens Jesu nach dem Willen Gottes. Der innere Kampf am Ölberg ist genauso ausgegangen wie die Versuchung Jesu in der Wüste und wie die vielen anderen Prüfungen Jesu, von denen wir nichts wissen: Jesus hat sich, so schwer es ihm oft gefallen sein mag, und so schwer es ihm besonders diesmal fiel, für den Willen Gottes entschieden. Und es war letztlich gut für ihn - seine Auferweckung und Erhöhung sind die Folgen seiner Entscheidung. Und wir wissen heute, daß es letztlich für uns alle gut war: ohne Kreuz und Leiden wüßten wir nichts von Erlösung und unserer Zukunft bei Gott.

Der gehorsame Kreuzestod und das, was daraus wurde: Auferstehung und Leben für uns alle, zeigt jedem von uns: wir können nichts besseres tun, als uns ganz und gar dem Willen Gottes anzuvertrauen.

AMEN

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