Zurück zur Homepage

Zurück zur Predigtsammlung

5. Jahressonntag 1999

Thema: Salz ohne Geschmack?

Lesg./Ev.: Mt 5,13-16

gehalten am 07.02.1999 09:00h in ESB von Eberhard Gottsmann, OStR

Schriftstelle Mt 5,13-16

13 Ihr seid das Salz der Erde. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten. 14 Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. 15 Man zündet auch nicht ein Licht an und stülpt ein Gefäß darüber, sondern man stellt es auf den Leuchter; dann leuchtet es allen im Haus. 16 So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.

Predigt:

Liebe Christen!

Falls hier unter uns jemand sitzt, der ein paar Grundkenntnisse in Chemie hat (und der zugleich genau zugehört hat, was ich gerade vorgelesen habe), der dürfte wohl jetzt lachend den Kopf schütteln.

Wie sollte wohl Salz seinen Geschmack verlieren? Natriumchlorid bleibt Natriumchlorid, solange man es nicht beispielsweise durch Elektrolyse in seine chemischen Bestandteile zerlegt; und das dürfte wohl ein Zeitgenosse Jesu kaum fertiggebracht haben.

Und daß Jesus – sonst ein Meister der Beobachtung und des Vergleichs - diesmal so einen Unsinn verzapft haben würde, das kann ich nicht glauben.

Tatsächlich liegt der Fehler nicht an Jesus oder Mattäus, sondern wieder einmal an der Einheitsübersetzung, die mich schon mehr als einmal wegen ihrer Fehler und Ungenauigkeiten geärgert hat.

Im griechischen Urtext heißt es nämlich genau "eàn dè tò hálas moranthé" - „wenn aber das Salz blöd, töricht, stumpfsinnig gemacht wurde"! Oder verständlicher: „wenn man dem Salz seine Fähigkeit genommen hat"!

Worin besteht aber nun die Fähigkeit des Salzes?

Natürlich zunächst einmal, Speisen zu würzen, zu konservieren, haltbar zu machen. Aber wie wir vorhin gesagt haben, kann Salz gerade diese Fähigkeit gar nicht verlieren! Also muß es wohl eine andere Fähigkeit sein, die Jesus da im Auge hatte.

Um die zu finden, müssen wir einen kleinen Umweg machen. Wahrscheinlich wissen Sie alle, daß Juden am Sabbat - der übrigens schon am Freitagabend beginnt - keine Arbeit verrichten dürfen. Und zu dieser Arbeit gehört Feuer machen, Fleisch und Gemüse zu schneiden - kurz - zu kochen.

Aber gerade am Sabbat, am Feiertag, möchte man doch ordentlich speisen, genauso wie wir Christen meist am Sonntag gern was besonders Feines essen wollen. Wenn eine jüdische Hausfrau aber schon am Freitag vorkochen muß, dann ist ja das Essen am Sabbatmittag kalt! Und ein kaltes Essen ist nicht gerade ein Gaumenschmaus.

Deshalb hat man in Palästina schon früh etwas erfunden, das wir heute einen „Thermobehälter" nennen würden. Unterhalb der Ziegelsteine, die den Herd bildeten, wurde nämlich eine dicke Schicht Salz angehäuft, welche die Hitze lange hielt und daher als Wärmespeicher für die Sabbatspeisen diente. Diese Fähigkeit beruht auf der Luft, die zwischen den einzelnen Salzkristallen liegt - ähnlich, wie ein Pullover nicht durch die Wolle selbst wärmt, sondern durch die Luftpolster zwischen den einzelnen Wollfäden.

Wenn aber Salz lange Zeit immer wieder erhitzt wird, zerfällt es zu Pulver, das nun keinen Platz mehr für die dazwischenliegende Luft hat, und es verliert seine Fähigkeit, Wärme zu speichern. Dann taugt es nicht mehr zu diesem Zweck und wird als Unkrautvertilgungsmittel auf den Weg gestreut und breitgetreten.

Schön und gut - jetzt wissen wir, was mit dieser Schriftstelle gemeint ist. Aber warum erzählt uns das Jesus? Er will uns ja nicht bloß die Eßkultur und technischen Erfindungen seiner Zeit nahebringen.

Der nachfolgende Satz bringt uns weiter auf die Spur:

Licht ist ja dazu da, um zu erleuchten. Leuchtfeuer an einer gefährlichen Küste dienen dem Seemann zur Warnung, den Klippen nicht zu nahe zu kommen; Öllampen in den dunklen palästinensischen Häusern dient dazu, daß man sein Zeug findet und nicht über irgend einen Gegenstand drüberfällt; Fackeln dienen dazu, in der Nacht den Weg zu finden und nicht zu stolpern. Licht, das unter eine Haube gestellt wird, ist sinnlos - es muß strahlen, um gesehen zu werden und andere sehen zu lassen.

Nun ist auch deutlich, wie Salz und Licht zusammenhängen: genauso, wie Salz Wärme abstrahlen soll oder Licht für andere leuchten soll, so sollen wir Christen Liebe abstrahlen, zur Freude und zum Nutzen für andere. Und genauso, wie Salz die Wärme oder Lampen das Licht nicht von sich aus erzeugen, sondern nur weitergeben können, so können auch wir wirkliche, echte Liebe nicht selbst erzeugen, sondern nur weiterleiten, was Gott uns schenkt.

Natürlich meint Jesus damit nicht, daß mit unseren guten Taten protzen sollen. An anderer Stelle der „Bergpredigt" warnt er sogar davor, wie die „Heuchler" (schon wieder eine falsche Übersetzung: es muß in Wirklichkeit „Schauspieler" heißen!) mit seinen guten Taten, mit Almosengeben, Fasten und Beten zu protzen!

Was er meint, ist vielmehr dies: Wenn du ein Christ sein willst, dann genügt es nicht, getauft zu sein und ab und zu in „deine" Kirche zu gehen. Es genügt auch nicht, salbungsvolle Worte von dir zu geben oder möglichst oft den Namen „Gott" im Munde zu führen.

Ein Christ - der ja erkannt hat, daß Gott uns ja unverlierbar, bedingungslos liebt - muß einfach dankbar und froh diese empfangene Liebe an andere weitergeben, sonst ist er wie ein „Licht unter dem Scheffel", das kein Licht abstrahlen, und wie ein „pulverisiertes Salz", das keine Wärme mehr abgeben kann und dadurch sinn- und nutzlos wird.

AMEN

Zurück zur Predigtsammlung

Zurück zur Homepage