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24. Jahressonntag

Thema: Unbarmherziger Schuldner
Lesg./Ev.: Mt 18,21-35
gehalten am 11.09.1999 18:30h +12.09.1999 09:30h Pressath
von Eberhard Gottsmann, OStR

Evangelium

Mt 18,21 Da trat Petrus zu ihm und fragte: Herr, wie oft muß ich meinem Bruder vergeben, wenn er sich gegen mich versündigt? Siebenmal? 22 Jesus sagte zu ihm: Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal. (Fortsetzung in der Predigt)

Predigt

Liebe Christen!

Jesus erzählt eine Szene, die alle Tage vorkommt, damals wie heute. Mattäus erzählt:

Ein Gläubiger packt seinen Schuldner an der Gurgel und schreit ihn an: Bezahl, was du mir schuldig bist!
Da fällt der andere vor ihm nieder und fleht: Hab Geduld mit mir! Ich werde es dir zurückzahlen. Der aber will nicht, sondern geht weg und läßt ihn ins Gefängnis werfen, bis er die Schuld bezahlt habe.

Auch wenn wir keine Geldschulden einzutreiben haben, kommt uns das bekannt vor: Jemand hat uns Unrecht getan, gekränkt.

Und nun muß er dafür zahlen: Rückzahlung, Wiedergutmachung! - Und wenn er das nicht kann? Dann handeln wir so wie der königliche Minister hier: Recht muß Recht bleiben. „Kann er nicht zahlen, dann eben ab ins Gefängnis."

Manchmal sagen dann die anderen zu mir: „Geh, laß es doch auf sich beruhen - drück doch einfach ein Auge zu - denk doch, die Umstände ... „. Ich selber rate das auch öfters einmal, aber diesmal bin ich selbst betroffen. Nun pfeife ich auf diese klugen Überlegungen; die Wut, das erfahrene Unrecht zählt mehr als solche Mahnungen.

In der Geschichte Jesu geht es genauso: Die Schuld wird eingetrieben, basta. Das ist zwar hart, aber es ist gerecht und verständlich.

Nun gehört allerdings zu dieser Geschichte eine Vorerzählung dazu, und die geht so:

Ein König beschloß, von seinen Dienern Rechenschaft zu verlangen. Als er nun mit der Abrechnung begann, brachte man einen zu ihm, der ihm zehntausend Talente schuldig war - das sind nach unserem Geld etwa 40 Millionen DM. Weil er aber das Geld nicht zurückzahlen konnte, befahl der Herr, ihn mit Frau und Kindern und allem, was er besaß, zu verkaufen und so die Schuld zu begleichen. Da fiel der Diener vor ihm auf die Knie und bat: Hab Geduld mit mir! Ich werde dir alles zurückzahlen. Der Herr hatte Mitleid mit dem Diener, ließ ihn gehen und schenkte ihm die Schuld.

Jetzt sieht die Sache von vorhin ganz anders aus. Der wütende Gläubiger hat ja kurz vorher selber eine Begnadigung erlebt! Wie kann er jetzt so hartherzig sein!

Diese Vorgeschichte, sagt Jesus, das ist die Vorgeschichte eures Lebens. Ihr alle seid unendlich in Gottes Schuld. Und es wurde euch vergeben, immer und immer wieder. Da rechnet merkwürdigerweise keiner und fragt, ob man das wieder gutmachen kann. Aber dann treffen wir einen, der uns etwas angetan hat. Ohne lang nachzudenken, reagieren wir sofort wie der königliche Minister: ohne Abstriche und Erbarmen verlangen wir vom anderen unser Recht.

Wie reagiert Jesus auf unser undankbares Verhalten? Er fängt nicht zu schimpfen an: „Wie oft habe ich euch schon gesagt, daß ihr vergeben sollt..."; er mahnt auch nicht milde, wie häßlich und menschenunwürdig die Rache ist. Er diskutiert die Schuld des anderen auch nicht weg. Er sagt vielmehr: „Wenn du einmal Rot siehst, dann denk mal dran, wie dich Gott sieht. Erinnere dich! Denk nicht nur an das, was dir der andere angetan hat, sondern auch daran, was du Gott angetan hast."

Keiner von uns hat sich den Himmel „verdient", auch nicht durch Gebotehalten und Bravsein. Unser angeborenes Vergeltungsdenken degradiert Gott gerne zu einer obersten Moralinstanz - und damit wird die unendliche, bedingungslose und stets barmherzige Liebe verdunkelt. Alle, Gute wie Böse, sind in gleicher Weise auf diese unverdiente Barmherzigkeit angewiesen. Aber bei den sogenannten „Braven" - dazu gehörten auch die gesetzestreuen Pharisäer, und dazu gehören heute die „Superfrommen" - bei diesen Braven also ist die Gefahr besonders groß zu glauben, sie hätten keine Barmherzigkeit nötig. Und das kann hart und unbarmherzig machen.

Was folgt also für mich daraus?

Wenn ich wieder einmal kurz vor der Explosion stehe, sollte ich mich daran erinnern, wie Gott mit mir umgeht. Das müßte reichen, damit mir mein Rache- und Vergeltungsgeschrei im Halse stecken bleibt.

Wenn mir der Strick vom Hals genommen wurde, wie kann ich da einen anderen erwürgen?

Nach dem Gesagten bräuchte es eigenlich kein Nachspiel mehr zu geben. Jesus erzählt aber so eine Fortsetzung:

Als die übrigen Diener das sahen, waren sie sehr betrübt; sie gingen zu ihrem Herrn und berichteten ihm alles, was geschehen war. Da ließ ihn sein Herr rufen und sagte zu ihm: Du elender Diener! Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich so angefleht hast. Hättest nicht auch du mit jenem, der gemeinsam mit dir in meinem Dienst steht, Erbarmen haben müssen, so wie ich mit dir Erbarmen hatte?
Und in seinem Zorn übergab ihn der Herr den Folterknechten, bis er die ganze Schuld bezahlt habe. Ebenso wird mein himmlischer Vater jeden von euch behandeln, der seinem Bruder nicht von ganzem Herzen vergibt.

Dieser Schlußakkord darf uns ruhig ein wenig schocken. Denn gerade deshalb, weil wir wissen, wie barmherzig Gott ist, neigen wir zum Leichtsinn. So grenzenlos gut dieser Gott ist - er ist bei all seiner Güte nicht harmlos. Das Gericht droht uns nach wie vor! Aber es ist im Grunde nicht sein Gericht; er überläßt mich meiner eigenen, unbarmherzigen Haltung: und das ist ein vernichtendes Urteil. Und wenn wir auch immer wieder auf Chancen hoffen dürfen, können wir doch diese Gelegenheiten verscherzen. Ein unbarmherziger Mensch ist unfähig, Barmherzigkeit zu empfangen!

Ich selbst merke mir das, liebe Gemeinde, und will es auch Ihnen ans Herz legen: Wenn ich das nächste Mal vor Wut rot sehe, mein Recht einfordern, heimzahlen, rächen, bestrafen will, dann werde ich nicht langsam bis zehn zählen, wie es viele empfehlen, sondern ich werde an meine eigene Vergangenheit denken und mir sagen: Wie Gott mir, so ich dir! So dumm, meine Zukunft aufs Spiel zu setzen wie der Minister da im Gleichnis, nein, so dumm will ich nicht sein.

AMEN

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