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8. Jahressonntag 2000

Thema: Alte Kleider in die Lumpensammlung!
Lesung / Evangelium: Mk 2,18-22
erstellt am 26.02.2000
von Eberhard Gottsmann, OStR

Die Predigt in allen Gottesdiensten übernimmt Pfr. Brolich; er möchte seiner Gemeinde den Ritus und die Bedeutung der Krankensalbung nahebringen.

Evangelium

2,18 Da die Jünger des Johannes und die Pharisäer zu fasten pflegten, kamen Leute zu Jesus und sagten: Warum fasten deine Jünger nicht, während die Jünger des Johannes und die Jünger der Pharisäer fasten? 19 Jesus antwortete ihnen: Können denn die Hochzeitsgäste fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Solange der Bräutigam bei ihnen ist, können sie nicht fasten.
20 Es werden aber Tage kommen, da wird ihnen der Bräutigam genommen sein; an jenem Tag werden sie fasten.
21 Niemand näht ein Stück neuen Stoff auf ein altes Kleid; denn der neue Stoff reißt doch vom alten Kleid ab, und es entsteht ein noch größerer Riß. 22 Auch füllt niemand neuen Wein in alte Schläuche. Sonst zerreißt der Wein die Schläuche; der Wein ist verloren, und die Schläuche sind unbrauchbar. Neuer Wein gehört in neue Schläuche.

Predigt

Liebe Christen!

Wenn wir eine niederschmetternde Nachricht erhalten oder Zeugen eines schrecklichen Unfalls werden, dann „verschlägt" es uns oft „den Appetit", d.h. wir könnten keinen Bissen hinunterbekommen. Erst wenn sich die Gefühlswogen geglättet haben, meldet sich allmählich das natürliche Hungergefühl, das Essen schmeckt wieder.

Ich nehme an, daß solche emotionalen Schocks der ursprüngliche Grund für das Fasten sind. Im Judentum allerdings wurde diese natürliche Reaktion unseres Körpers immer mehr ritualisiert: man fastete, um seiner Trauer oder Erschütterung äußeren Ausdruck zu verleihen. Man fastete sozusagen aus gesellschaftlichen Gründen; so konnte man den anderen zeigen, daß einen das Unglück oder der Trauerfall nicht unberührt läßt.

Auch im religiösen Bereich konnte man durch Fasten etwas deutlich machen: nämlich die Trauer darüber, daß man Gott durch Sünden beleidigt hatte. So wird Fasten ein Zeichen Gott und den Mitmenschen gegenüber, daß einem die Sünden leid tun, und daß man bereit ist, sich Gott wieder neu zuzuwenden.

Klar, daß religiös Übereifrige, wie beispielsweise die Pharisäer oder die Jünger des strengen Bußpredigers Johannes, das Fasten besonders hochhielten. Nicht nur einmal die Woche - wie jeder gute Jude - enthielten sie sich jeglicher Speise oder sogar jeglicher Getränks. Sie fasteten zweimal, und zwar montags und donnerstags!

Anscheinend demonstrierten manche diese harte Übung durch einen entsprechend leidenden Gesichtsausdruck, denn Jesus sagt in der Bergpredigt des Mattäus: „Wenn ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht wie die Heuchler (besser übersetzt: wie die Schauspieler)".

Noch effektiver wurde diese Show dadurch, daß man sich auch nicht mehr wusch und Bart und Haare nicht mehr kämmte.

Die Jünger Jesu scheinen nichts von diesem heiligen Brauch zu halten. So muß sich Jesus, der ja als Rabbi für die Taten seiner Schüler verantwortlich ist, Vorwürfe gefallen lassen. „Mein lieber Rabbi, du scheinst gar nicht viel von unseren altehrwürdigen religiösen Übungen zu halten. Haben es etwa deine Talmidim nicht nötig, Buße zu tun, ihre Sünden zu bereuen und wieder zu Gott zurückzukehren? Du und deine Anhänger erregen ganz schön Ärgernis, das müssen wir schon sagen!"

Jesus antwortet ihnen, indem er auf den Propheten Jesaja anspielt, der über die kommende Heilszeit.sagt: „Wie sich der junge Mann mit der Jungfrau vermählt, so vermählt sich mit dir, Zion, dein Erbauer. Wie der Bräutigam sich freut über die Braut, so freut sich dein Gott über dich!" (Jes 62,5)

Mit dem Bildwort vom Bräutigam macht Jesus unmißverständlich deutlich, daß Gott, der Bräutigam, in seiner Person sich der „Braut", dem Volk Gottes, zu erkennen gibt.

Eine Zeit des Heiles, des Gutgehens, des erlösten Aufatmens - und da soll man fasten und sich kasteien? Nein, fröhlich feiern müssen wir, wir müssen es uns gutgehen lassen, denn auch Gott will, daß wir „heil" sind, daß es uns gut geht!

Klar, daß diese neue Frohe Botschaft nicht zur ängstlichen Buchstabenfrömmigkeit der pharisäischen Fundamentalisten paßt, ebensowenig wie ein neues Stück Stoff ein altes, mürbegewordenes Kleid nicht zusammenhalten kann. Vielleicht möchten Sie es noch deutlicher gesagt bekommen? Eure alte Einstellung, die von Angst geprägt ist und daher in kleinliche Gesetzlichkeit mündet, gehört in die Lumpensammlung!

Eines geht nur: entweder man hat erfaßt, wie unendlich uns Gott liebt und kann frei und froh seine Liebe weitergeben - oder man traut sich nicht, die Absicherungen vor einem bedrohlichen Gott aufzugeben, weil man im Grunde Gott nicht vertraut.

Oder wie Eugen Biser sagt: Entweder glaube ich, daß „Gott uns liebt" - oder ich fürchte, daß „Gott uns sieht!"

Vertrauen und Mißtrauen - beides ist ebensowenig vereinbar, wie alte und neue Textilien, oder neuer Wein in alten, brüchigen Schläuchen.

Natürlich werden auch die Freunde Jesu einmal fasten, aber aus ganz anderen Gründen als den herkömmlichen. Ihr Fasten wird die Abwesenheit des Bräutigams betrauern, aber nur solange, bis sie einmal erkannt haben, daß er ihnen in liebenden Begegnungen, in Symbolen wie Brot und Wein, beim gemeinsamen Essen, Trinken und Diskutieren näher ist, als er in irdischen Zeiten jemals sein konnte.

Dieser stets „neue Wein", die Begeisterung über die stets neu erfahrene Liebe Gottes, braucht dann allerdings auch immer wieder neue „Schläuche", neue Verpackungen, immer neue, der Zeit angepaßte Formen, sonst besteht die Gefahr, daß der altehrwürdige Schlauch der „Institution Kirche" Risse bekommt oder gar platzt.

AMEN

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